Ich bin ein Ideengeber, und deshalb an Frustrationen gewöhnt. Seit Friedlieb Ferdinand Runge* die Teerfarben entdeckte, hat sich nicht viel geändert: Ein Ideengeber benötigt viel Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz
Menschen neigen zu einem ausgeprägten Beharrungsvermögen und stehen neuen Ideen meist ablehnend gegenüber. Ideen sind toll, jeder mag Ideen, aber sie dürfen nicht neu sein. Sie müssen bereits irgendwo veröffentlicht sein. Irgendeine Institution muss verfügt haben, dass die jeweilige Idee von Bedeutung ist.
Ideengeber kommen aber mit neuen Ideen daher (sonst wären sie ja keine Ideengeber, sondern Ideenweiterträger.) Deshalb erleben sie andauernd eine Ablehnung ihrer Ideen. Ein Ideengeber hat deshalb die Wahl, Geduld zu entwickeln oder verrückt zu werden.
Ich bin geduldig geworden im Laufe der letzten zehn Jahre, seit ich meine erste Erfindung machte, die nicht von einem Arbeitgeber beauftragt war.
Aber Hans Dieter Pötsch, der Leiter von Volkswagens gestriger Hauptversammlung, gab sich wirklich alle Mühe die Kleinaktionäre zu frustrieren und meine Geduld zu verschleissen.
Er schien die interessantesten Beiträge gezielt nach hinten zu schieben. Trauriger Höhepunkt war eine auch formal sinnlose Wiederholung eines bereits abgelehnten Antrags. Diese dem Anschein nach vorsätzliche Zeitverschwendung führte im Verlauf zu immer kürzeren Redezeiten.
Ich wurde gegen 18:30 dann doch aufgerufen, allerdings mit einer Vorwarnzeit von unter 5 Sekunden. Denn ich hatte das Pech, dass mein Vorredner ausfiel. So musste ich sprechen, ohne überhaupt meine zusammengestrichenen Notizen aus der Tasche fischen zu können. Reines Pech? Nicht ganz, denn der nahezu allmächtige Versammlungsleiter hätte mir ja zumindest 30 Sekunden zur Vorbereitung einräumen können.
Ich hatte ein sehr gründlich ausgearbeitetes Redekonzept für Sieben Minuten. VW hatte mir im Vorfeld eine Schätzung der erwartbaren Redezeit verweigert. Nur Sieben Minuten anzunehmen war mir schon fast übervorsichtig kurz erschienen. Denn ich hatte meinen Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 2 drei Wochen im voraus als Zweiter gestellt. In Anbetracht dieser Tatsache konnte ich eigentlich mit einem frühem Aufruf und normaler Redezeit rechnen.
Doch mein Konzept wurde durch die mangelhafte Leitung der Versammlung zerschlagen. Meine Improvisation hätte trotzdem schlechter laufen können. Immerhin habe ich die Anmeldeschriften vor Zeugen an VW übergeben können. An eine Security Frau von VW. Ob sie wirklich an Matthias Müller weitergereicht wurden? Ich weiss es nicht.
Selbst mit Vorwarnzeit wäre es nicht einfach gewesen, Interesse zu wecken, die Schriften zu übergeben und dann auch den Zusammenhang zu erklären.
So fiel das Echo auf meine Aktion mager aus:
Oops, jetzt ist der nächste Redner nicht auffindbar. Der übernächste muss einspringen.
von Andrej Sokolow, dpa via dpa 22. Juni 18:28
Herr Lübeck hat 3 Ideen mitgebracht für Bremsen. Die wollte er #VW-Boss Müller schenken. Der hat sie aber nicht angenommen.
@MiManske 22. Juni 2016, 6:33 nachm.
Nachdem ich das absurde Theater der gestrigen VW-Hauptversammlung überschlafen habe, kann ich folgende Bilanz ziehen: ein bisschen Geduld habe ich noch mit VW, mein Wohlwollen ist noch nicht komplett verspielt.
Aber Vertrauen habe ich überhaupt keines mehr. Mein Wohlwollen hat mehr denn je die Form von Mitleid. Richtet ein Riesenkonzern eine Hauptversammlung aus, um Mitleid zu provozieren?
Und der nagende Zweifel bleibt: Pech oder Vorsatz?
Denn es ist schon plausibel, dass mein Beitrag vorsätzlich nach hinten geschoben wurde. Ich hatte immerhin Manfred Döss zwei Wochen vor der HV per Einschreiben angedroht, die an Ihn, also den Justiziar von VW gerichteten Fragen, auf der Hauptversammlung zu thematisieren, sollte er sie mir nicht beantworten. Dabei fragte ich insbesondere nach dem bestimmungsgemäßen Zweck der BlueMotion Autos. Aber statt Antwort von Döss bekam ich ein unerwartetes Schreiben aus der Kundenbetreuung.
Anmerkung
*Runge entdeckte die Teerfarben und er erfand ein Verfahren zum Färben von Kleidung mit diesen Teerfarben. Aber seine Erfindung wurde soweit ich sehen kann nie zum Patent angemeldet. Er machte sie in der Chemische Produkten-Fabrik Oranienburg, einem Staatsbetrieb, der unermesslichen Reichtum damit hätte erwirtschaften können. Erst später, bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik wurde das Potential dieser Erfindung erkannt und genutzt. Die BASF ist heute laut Wikipedia der nach Umsatz und Marktkapitalisierung weltweit größte Chemiekonzern.