Reichen Rückstellungen von VW?

Beim Beetle Cabriolet hat VW eine ungewöhnliche Aussage zum realen Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoss gemacht. Kann VW liefern – oder werden weiter Rückstellungen nötig?

Sehr geehrter Herr Manfred Döss,

Sie sind Justiziar bei Volkswagen und sind sicherlich Experte für übliche Manipulationen bei Verbrauchstests und die zwar faktisch irreführende aber anscheinend nicht illegale Werbung mit „Ergebnissen“ manipulierter Verbrauchstests. Doch haben Sie (bzw. Ihr Amtsvorgänger, Michael Ganninger) auch folgende Anzeige von VW abgesegnet, die uneingeschränkte Versprechungen zum Kraftstoffverbrauch macht?

vw-beetle

Diese Anzeige erschien am 1. Oktober 2015 im Großformat in einer Sonderausgabe der „Bild“. Der Text der Anzeige befasst sich praktisch ausschließlich mit dem Kraftstoffverbrauch des beworbenen Beetle Cabriolet.  Dieser wird mit 6,7 – 4,2 l/100 km angegeben. Auch ein Laie kann die Bedeutung so einer Angabe deuten: In den meisten Fällen wird der Verbrauch des beworbenen Produkts innerhalb der angegebenen Spanne liegen. Man könnte vermuten, dass dieser Angabe sogenannte Quartile zu Grunde liegen. Dann würde der Verbrauch in 25% der Fälle unterhalb der angegebenen Spanne  liegen, in 50% der Fälle innerhalb der angegebenen Spanne und in 25% der Fälle darüber. Für den Experten steht fest: wenn mit einer Streuung behaftete Werte durch eine Spanne angegeben werden, dann werden bei einer seriösen Angabe genauso viele Werte unter dieser Spanne liegen wie darüber. Der Verbrauch wird also in diesem Fall genauso häufig unter 4,2 Liter liegen wie über 6,7 Liter.

Es wäre großartig, wenn VW genau dies zum Ausdruck bringen wollte. Das würde bedeuten, VW hätte die Bedeutung des realen Kraftstoffverbrauchs verstanden und gäbe die Politik der diesbezüglichen Täuschung auf. Und es würde bedeuten, dass zumindest ein geübter Fahrer beim Beetle Cabriolet einen Verbrauch von 4,2 Litern erreichen kann.

Ich befürchte jedoch, dass VW in dieser Anzeige den Käufern ein nicht erfüllbares Versprechen gegeben hat, das zu berechtigten Schadensersatzansprüchen gegen VW führen wird. Als besorgter Aktionär möchte ich VW auffordern, hierfür Rückstellungen zu bilden.

Eigentlich soll durch Verbrauchstests der Kraftstoffverbrauch der verkauften Produkte ermittelt werden. Tatsächlich werden jedoch für die gesetzlichen Verbrauchstests mit Zustimmung der Prüfbehörden Serienfahrzeuge zu Einzelstücken mit gezielt vom Serienstand abweichendem Kraftstoffverbrauch umgebaut. Es werden nicht Serienfahrzeuge getestet, sondern Einzelstücke, die so tiefgreifend manipuliert sind, dass sie kaum für den Strassenverkehr zugelassen werden könnten. Die Benutzung so eines Prüflings im Strassenverkehr würde ggf. sogar gefährlich sein. Beispielsweise werden die Stromkreise so manipuliert, dass der Prüfling nicht in jeder Situation beherrschbar wäre.

Mit solchen Manipulationen erzielte Testergebnisse bewirbt VW im Internet mit folgendem Zusatz: „Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes individuelles Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebotes, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.“

Der Verbraucher wird durch den Zusatz nicht darüber informiert, dass an Stelle eines Serienfahrzeugs ein manipuliertes Einzelstück getestet wurde. Der Verbraucher wird nicht informiert, dass der Hersteller durch die Vorschriften eben nicht verpflichtet wird, die gesuchte Größe durch Messungen zu ermitteln, sondern ihm irrwitzige Freiräume zugestanden werden, ein vorsätzlich von der gesuchten Größe abweichendes Testergebnis zu produzieren. Ehrlicher wäre folgende Ergänzung:

Das verwendete Messverfahren beinhaltet vorsätzliche Verfälschungen. Stellen Sie sich einen Wurstverkäufer vor, der 200 Gramm Wurst auf die Waage legt, einen 100 Gramm schweren Stein dazupackt, 300 Gramm von der Waage abliest, dann mit der Begründung, die Waage könne einen Meßfehler von 100 Gramm aufweisen, 100 Gramm aufschlägt und schliesslich den Kunden 400 Gramm Wurst bezahlen lässt.

Sehr geehrter Herr Döss, zum Thema vergammelnde Bremsen sind noch einige an VW gerichtete Fragen offen geblieben. Ich bekam lediglich einen Anruf einer offenkundig überforderten Mitarbeiterin der Kundenbetreuung. Sie konnte keine meiner Fragen beantworten und wiederholte stattdessen mehrfach, ich bräuchte nicht Sprit sparend zu fahren und ich bräuchte insbesondere nicht so wie im NEFZ beschrieben fahren, dann würde ich auch keine Probleme mit meinen Bremsen haben. Deshalb wende ich mich nun an Sie. Als Justiziar werden Sie beispielsweise überblicken können, ob eine spritsparende Fahrweise dem bestimmungsgemäßem Gebrauch eines als spritsparend beworbenen PKW entspricht. Ich lege Ihnen nahe, nicht nur auf meine rechtlichen Fragen einzugehen, sondern alle mit VW verschlagworteten Beiträge auf diesem Blog zu betrachten.

Mit freundlichen Grüßen, Felix Lübeck

(Dieser offene Brief richtete sich in einer früheren Fassung an den Amtsvorgänger von Manfred Döss, Michael Ganninger. Zu dem personellen Wechsel: Pressemitteilung von VWBericht auf Handelsblatt.com)

Print Friendly, PDF & Email