Die Autobosse fordern eine Abwrackprämie, damit ihre Verluste weitmöglichst sozialisiert werden, wo eben noch schnell die Gewinne von 2019 privatisiert wurden. Vor Corona war die Kfz-Industrie häufig durch antisoziales Verhalten wie Dieselbetrug, illegale Preisabsprachen und Täuschungen bei Umweltberichten aufgefallen. Jetzt fällt sie durch antisoziale Milliardenausschüttungen an die Aktionäre auf. Was haben VW-Chef Herbert Diess und Menschen seines Schlages an der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht verstanden? Ist es wirklich zu viel verlangt, dass sich BMW, Daimler und der Volkswagen Konzern an den Regeln des Grundgesetzes orientieren?
Art. 14 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Aber in den Augen der Autobosse ist wohl die Allgemeinheit dafür verantwortlich, das langfristige Überleben der Automobilindustrie zu sichern. Allein der Großaktionär Qatar mit einem Anteil von 17% an VW konnte bei der Rekordausschüttung von 6,56€ pro Aktie rund eine halbe Milliarde € Gewinn aus Deutschland abziehen. Die Porsche-Erben entsprechend mehr. Während sich die Großaktionäre an ihren Dividenden erfreuen soll beispielsweise die Kassiererin im Supermarkt dafür verantwortlich sein, sich um das Wohl der Automobilbranche zu kümmern? Sie soll die Probleme der Zukunft über die von ihr gezahlten Steuern richten? Sie soll zahlen zur Rettung der Branche. Und wer behauptet, die Kassiererin im Supermarkt würde nicht viel Steuern zahlen, der lese bitte einfach zum Thema Mehrwertsteuer nach. Den Steuersatz von 19 % zahlt ein jeder, unabhängig von seinem Vermögen und Einkommen. Nein die Kassiererin zahlt anteilig kaum weniger Steuern als Herbert Diess. Doch während Herbert Diess sich sein nächstes Spaßmobil auf Staatskosten subventionieren lassen kann, würde das für die Einkommensschwächsten nicht möglich sein. Neuwagen würden jenseits ihrer Möglichkeiten bleiben – Subventionen hin oder her. Der einkommensschwächere Teil der Gesellschaft soll zudem doppelt zahlen. Er soll über die Steuern die Abwrackprämie und damit auch die Zweitautos reicher Leute mitfinanzieren. Zudem soll er erdulden, dass die Preise auf dem Gebrauchtmarkt steigen, weil für ihn erschwingliche Gebrauchtwagen künstlich vom Markt genommen werden. Weil sich mittlerweile herumgesprochen hat, wie wenig Gutes die Abwrackprämie 2009 bewirkt hat und wie viel schlechtes dem gegenüber stand, hat die Abwrackprämie heute nicht viele Fürsprecher jenseits der Automobilbranche. Sehr viele wünschen, dass beispielsweise Restaurants und Veranstaltungsstätten gerettet werden, die durch Corona direkt betroffen sind. Die aufgrund von Corona wochenlang geschlossen hatten und ggf. noch immer geschlossen haben. Im Gegensatz dazu hatte die Automobilbranche jeden einzelnen Tag dieses Jahres produzieren dürfen. Sie hatte an jedem einzelnen Tag des laufenden Jahres Automobile verkaufen dürfen. Unbestritten leidet die Autobranche an einer seit 2019 laufenden Absatzkrise, die Zacharias Zacharakis bereits am 12.09.2019 auf Zeit.de analysierte: „Das China-Problem der deutschen Autoindustrie Seit Jahren geht es abwärts mit den Autokonzernen. Zu den Imageproblemen durch den Dieselskandal und die verzögerte Elektrowende kommt jetzt eine echte Absatzkrise hinzu.“ Corona verschärft selbstverständlich die Schwierigkeiten der deutschen Autoindustrie, ihre übergroßen, überteuerten und antriebstechnisch als veraltetet geltenden Blechmonster zu verticken. Und weil die Automobilbranche auf ein hochpreisiges Händlernetz setzt und Absatzmöglichkeiten über das Internet ignoriert, konnte sie natürlich während der Kontaktsperre kaum Umsatz machen. Das lag aber eben nicht an staatlichen Verboten, sondern an ihrer seit drei Jahrzehnten andauernden Unfähigkeit, Vertriebskanäle im Internet zu etablieren. Doch anstatt jetzt ihre Vertriebsstruktur an die neue Zeit anzupassen, rufen die Autobusse heute nach Subvention in Form von Abwrackprämien.
Dieser Beitrag ist inspiriert durch den ursprünglich für morgen angesetzten ‚Autogipfel‘ im Kanzleramt. Zum Glück wurde dieser kurzfristig ausgesetzt, wie das Handelsblatt am 28.05. meldete VDA: ‚Autogipfel‘ im Kanzleramt kurz nach Pfingsten fällt aus. Der Spiegel setzte das Platzen des Autogipfels in den Zusammenhang von Demonstrationen, die das Bündnis „Sand im Getriebe“ am vergangenen Freitag gegen die „#Abfckprämie“ organisiert hatte: „Tausende demonstrieren gegen Autoprämie Der Autogipfel ist geplatzt. Dennoch fordert die Automobilindustrie eine Kaufprämie, um die Konjunktur nach der Coronakrise anzukurbeln. Dagegen demonstrierten Menschen in zahlreichen Städten.“
Vielleicht kommt die Regierung ja doch noch zur Vernunft und vermittelt den Autobossen, dass die Zeit der Täuschung und des Betruges, und die Zeit antisozialen Verhaltens jetzt endlich vorbei sein muss.
Linksammlung
- Neue Wirtschaftsweise kritisiert „fatale Abhängigkeit“ von Autoindustrie schrieb Sven Böll am 27.05.2020 in der Wirtschaftswoche: Die neue Wirtschaftsweise Monika Schnitzer warnt vor einer Fehlkonstruktion der wirtschaftlichen Hilfen der Bundesregierung und lehnt eine Kaufprämie für Autos entschieden ab
- Nicht noch eine Abwrackprämie! Verschenkt die Autos und gebt noch 1000 Euro dazu! kommentierte Henryk M. Broder am 9.05.2020 in der Welt
- Wegen 12.500 Jobs fleht die Autobranche um Staatsgeld schreibt Olaf Preuß am 19.05., ebenfalls in der Welt. Und: „durch die E-Mobilität scheinen weitaus mehr Jobs gefährdet.“
- Die schlimmen Folgen der Abwrackprämie beschrieb Lutz Algermissel am 21.12.2009 in der Welt
- Abwrackprämien helfen nicht nachhaltig schreibt heute die Zeit
- Eine absurde Idee kommentierte Sören Götz Anfang Mai in der Zeit: Die Autoindustrie fordert eine Kaufprämie für Neuwagen. Wie dreist. Das würde nicht den vielen helfen, die es nötig haben, sondern den Wohlstand der Wohlhabenden sichern.
- Christian Frahm und Emil Nefzger beschrieben am 09.05.2020 im Spiegel Sechs Ideen, die besser sind als eine Autokaufprämie.