Originaltext der Patentanmeldung DE102016007341 vom 17.06.2016 mit den eingereichten Zeichnungen:
„Reibungsbremsen, welche kinetische Energie eines Kraftfahrzeugs in Wärme umwandeln, werden seit über 100 Jahren üblicher Weise mit Luft gekühlt. Frederick W. Lanchester hat mit der GB190123500 einen Vorläufer der Scheibenbremse und mit der GB190009983 eine gezielte Luftkühlung von Motor und Bremse patentiert. Seitdem sind die Autos schneller und schwerer geworden, weshalb beim Bremsen mehr Hitze entsteht und vom Luftstrom abgeführt werden muss. Statt einer einzigen zentralen Bremse (wie in Lanchesters Patentschriften) befindet sich heute an jedem einzelnen Rad eine Bremse, die zur Kühlung sehr offen der Umgebungsluft ausgesetzt ist. Dreck und Wasser in der Umgebungsluft können die Oberflächen z.B. von Bremsscheiben schädigen. Bis 1973 war das kein Problem. Da war der Kraftstoff billig, Kraftstoff sparendes Fahren kein Thema, und durch häufiges Bremsen wurden Dreck und Ansätze von Rost abgeschliffen.
Reibungsbremsen werden bisher dazu ausgelegt, eine nicht vorausschauende Fahrweise und eine besonders sportliche Fahrweise uneingeschränkt zu unterstützen. Eine nicht vorausschauende Fahrweise bzw. eine besonders sportliche Fahrweise ist durch häufige Stoppbremsungen gekennzeichnet, also durch wiederholtes Verzögern aus hoher Geschwindigkeit mit zwischenzeitlichen Beschleunigungsphasen. Diese Anforderung findet sich in der für die Auslegung von Scheiben- und Trommelbremsen einschlägigen Norm DIN 15434 unter dem Begriff „gehäufte Stoppbremsung“ wieder. Die DIN 15434 lehrt Bremsen so auszulegen, dass eine maximal zulässige Beharrungstemperatur bei einer gehäuften Stoppbremsung nicht überschritten wird. Im einschlägigen Lehrbuch „Bremsenhandbuch“ von Bert Breuer und Karlheinz H. Bill, 4. Auflage bei Springer Vieweg findet sich unter dem Begriff „Folgestoppversuch“ die gleiche Lehre. Zur Veranschaulichung dieser Problematik zeigt Figur 1 beispielhafte Temperaturverläufe bei einem dem Bremsenhandbuch entnommenem Folgestoppversuch. Bei der Beharrungstemperatur wird in diesem Versuch in einem Zyklus von 24 Sekunden Dauer die gesamte Wärme abgeführt, die bei der jeweiligen Vollbremsung entsteht. Um so viel Wärme in so kurzer Zeit abzuführen, muss die Bremse zur Kühlung einem kräftigen Luftstrom ausgesetzt sein. Dabei erweist es sich umso schwieriger, in der Umgebungsluft enthaltenen Dreck und Feuchtigkeit aus der Kühlluft fernzuhalten, je mehr Kühlluft benötigt wird. Aus der DE 10 2008 039 728 A1 ist beispielsweise eine Luftführungseinrichtung bekannt, die getrocknete und von Fremdkörpern bereinigte Kühlluft für die Bremsen bereitstellt. Aus der DE 10 2011 109 716 A ist ein hohler Radträger bekannt, durch den Kühlluft auf ein zu kühlendes Bremsenbauteil geleitet wird.
Kraftstoffsparendes Fahren ist spätestens seit dem Oktober 1973 aktuell. Kraftstoffsparendes Fahren ist durch die Vermeidung von Bremsungen mit Reibungsbremsen gekennzeichnet. Bei einer Kraftstoff sparenden Fahrweise wird eine Reibungsbremse nicht die Beharrungstemperatur erreichen.
Kraftstoff sparendes Fahren ist besonders einfach möglich in Fahrzeugen mit einer elektrischen Antriebsmaschine, beispielsweise Elektrofahrzeugen oder Hybridfahrzeugen. Diese verfügen, wie in der DE 10 2011 103 660 A1 ausführlich erörtert, üblicherweise über zwei Bremsmechanismen. Zum einen verfügen diese Fahrzeuge über Reibungsbremsen, welche kinetische Energie des Fahrzeugs in Wärme umwandeln. Andererseits kann eine elektrische Maschine kinetische Energie des Fahrzeugs in elektrische Energie umwandeln, welche in einen elektrischen Energiespeicher des Fahrzeugs eingespeist werden kann, was als Rekuperationsbetrieb bezeichnet wird. Im Sinne einer Energieverbrauchsoptimierung des Fahrzeugs wird das Fahrzeug bevorzugt durch den Rekuperationsbetrieb abgebremst. Die DE 10 2011 103 660 A1 lehrt, dass die Reibungsbremsen bei Fahrzeugen mit einer elektrischen Antriebsmaschine entsprechend weniger häufig verwendet werden, wodurch verstärkt Verschmutzungen und Korrosionen auftreten können, welche somit die Bremsfunktion und Lebensdauer der Bremsanlage beeinträchtigen können. Als Lösung wird vorgeschlagen, beim Auftreten von Korrosion oder Verschmutzung an Reibkörpern der Bremsanlage auf Rekuperation zu verzichten und stattdessen die Reibungsbremsen umso stärker zu nutzen. Dadurch steigt zwar der Kraftstoffverbrauch, aber es werden Ressourcen eingespart, die sonst dafür aufgewendet werden müssten, durch Korrosion beschädigte bzw. zerstörte Bremsenkomponenten zu ersetzen. GB 2498794 schlägt darüber hinaus sogar vor, beim Auftreten von Korrosion oder Verschmutzung an Reibkörpern der Bremsanlage die Reibungsbremsen selbst dann zu betätigen, wenn der Fahrer gar nicht bremsen möchte.
Kraftfahrzeug müssen so beschaffen sein, dass sie jedem Fahrer, unabhängig von seiner individuellen Fahrweise, ein möglichst sicheres Fahrerlebnis bieten. Bisher werden sie so ausgelegt, dass sie eine nicht vorausschauende Fahrweise und eine besonders sportliche Fahrweise uneingeschränkt, aber eine Kraftstoff sparende Fahrweise nur eingeschränkt unterstützen.
Aufgabe der Erfindung ist es, ein Kraftfahrzeug anzugeben, das eine Kraftstoff sparende Fahrweise uneingeschränkt unterstützt, aber auch einem Fahrer mit nicht vorausschauender bzw. einer besonders sportlichen Fahrweise ein sicheres Fahrerlebnis bietet.
Eine Teilaufgabe der Erfindung besteht darin, zu verhindern, dass eine Nichtbenutzung der Reibungsbremsen zu deren Verschmutzungen oder Korrosion führt. Eine weitere Teilaufgabe der Erfindung besteht darin, die Reibungsbremsen vor thermischer Überlastung zu schützen.
Gelöst werden die Aufgaben durch ein Fahrzeug mit einem Geschwindigkeitsbegrenzer nach Anspruch 1.
Für ein Fahrzeug, dessen bestimmungsgemässer Zwecke eine Kraftstoff sparende Fortbewegung ist, erweist sich die Auslegung der Bremsen für „gehäufte Stoppbremsung“ gemäß DIN 15434 als ein ausgesprochen ineffizienter Weg, um Bremsenfading, also die Bremswegverlängerung bei überhitzter Bremsanlage, zu vermeiden. Stattdessen wird eine Alternative vorgeschlagen, die eine weniger intensive Kühlung der Bremsen erfordert, und deshalb mehr Spielräume zum Schutz der Bremsen vor Dreck und Feuchtigkeit lässt.
Um Bremsenfading zu vermeiden wird vorgeschlagen, die Bremsentemperatur kontinuierlich zu überwachen und beim Überschreiten einer Temperaturschwelle die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen. Werden die Bremsen beispielsweise durch eine Vollbremsung, also eine vollständige Stoppbremsung, aus einer Höchstgeschwindigkeit stark erhitzt, so bewirkt ein Geschwindigkeitsbegrenzer, dass das Fahrzeug beim Wiederanfahren zunächst nur bis zu einer gedrosselten Höchstgeschwindigkeit beschleunigt werden kann. Erst wenn die Bremsen wieder ausreichend abgekühlt sind, wird die Drosselung aufgehoben. Der Geschwindigkeitsbegrenzer begrenzt dadurch die kinetische Energie des Fahrzeugs derart, dass diese kinetische Energie jederzeit durch eine Stoppbremsung in den Bremsen vollständig in Wärme umgesetzt werden könnte, ohne dass dabei eine zulässige Temperatur der Bremsen überschritten würde. Mit anderen Worten stellt der Geschwindigkeitsbegrenzer ein Stellglied eines Reglers dar, der die Summe aus kinetischer Energie des Fahrzeugs und in den Bremsen vorhandener thermischer Energie derart regelt, dass eine kritische Energie niemals überschritten wird.
Dahinter steht der Gedanke, dass beim bestimmungsgemässen Gebrauch eines besonders Kraftstoff sparenden Fahrzeugs eine Vollbremsung aus einer Höchstgeschwindigkeit heraus nur in seltenen Fällen vorkommt, und zwar nur in extremen Gefahrensituationen, in deren Folge kaum der Wunsch bestehen wird, sofort wieder sehr schnell zu fahren. Da der menschliche Fahrer mitunter Stunden oder Tage benötigt, um sich vom emotionalen Stress einer unmittelbar erlebten Gefahr zu erholen, besteht keine Notwendigkeit, dass sich die Bremsanlage innerhalb weniger Sekunden vom thermischen Stress der Vollbremsung erholt.
Beim bestimmungswidrigem Gebrauch, also einer nicht vorausschauenden oder einer besonders sportlichen Fahrweise kann es auch ohne eine aussergewöhnliche Gefahrensituation zu gehäuften Bremsmanövern kommen, die die Bremsen auf eine Temperatur erhitzen, bei der die Drosselung einsetzt. Auch wenn sich dies für einen besonders sportlichen Fahrer als unbefriedigend erweisen mag, ist so auch für seine Sicherheit gesorgt.
Um die Herstellungskosten niedrig zu halten, wird vorgeschlagen auf zusätzliche, nur für die Überwachung der Bremsentemperatur nützliche, Sensoren zu verzichten. Das schliesst beispielsweise eine Messung der Infrarotstrahlung von der Bremsenoberfläche aus. Stattdessen wird vorgeschlagen, die Daten von Sensoren zu verwenden, die bereits für andere Zwecke vorgesehen sind. Mit deren Hilfe soll indirekt auf den Zustand der Bremsen geschlossen werden.
Als Datenquelle in Frage kommen insbesondere: die Sensoren für die Drehraten der Räder, sofern diese beispielsweise für ein Antiblockiersystem bereits vorgesehen sind. Jeweils ein Sensor für die Stellung des Bremspedals und des Gaspedals sofern diese beispielsweise für ein Antiblockiersystem oder einen Bremsassistenten bereits vorgesehen sind. Ein Temperatursensor für die Aussentemperatur und Reifendrucksensoren, aus deren Messwerten auf den Reifenumfang geschlossen werden kann
Diese Sensordaten werden in einen modellgestützten Beobachter eingespeist, der Hypothesen für den Zustand des Fahrzeugs, und insbesondere die Temperatur der Bremsenkomponenten und insbesondere die Temperatur der Oberflächen der Bremsscheiben bzw. Bremstrommeln bzw. der Bremsklötze bildet. Diese Temperatur wird mit der kinetischen Energie des Fahrzeugs verrechnet und daraus eine thermische Reserve der Bremsen bestimmt, also ein Maß das angibt, wie stark das Fahrzeug noch weiter beschleunigt werden darf. Dieser Wert wird an den Geschwindigkeitsbegrenzer weitergeleitet, der das Fahrzeug abregelt, bevor das Risiko einer thermischen Überlastung der Bremsen droht. Der Effekt dieser Maßnahmen ist, dass die Bremsen zur Kühlung einem weniger kräftigen Luftstrom ausgesetzt sein müssen, wodurch sich vielfältige Möglichkeiten zum Schutz der Bremsenoberflächen vor in der Umgebungsluft enthaltenem Dreck und Feuchtigkeit ergeben. Beispielsweise können Trommelbremsen an Stelle von Scheibenbremsen vorgesehen werden.
Es zeigen
- Figur 1 einen Temperaturverlauf in der Reibringoberfläche einer Scheibenbremse nach dem Stand der Technik bei einem Folgestoppversuch.
- Figur 2 eine Fahrzeugsteuerung mit einem temperaturabhängigen Geschwindigkeitsbegrenzer
- Figur 3 ein Fahrzeug mit der Fahrzeugsteuerung aus Figur 2.
- Figur 4 einen Temperaturverlauf einer Bremsenoberfläche in einem erfindungsgemässen Fahrzeug bei einem Folgestoppversuch.
- Figur 5 zeigt ein Instrument zur Anzeige der Fahrzeuggeschwindigkeit und eines ggf. gesperrten Geschwindigkeitsbereichs.
Figur 1 zeigt die Temperatur einer Scheibenbremse nach dem Stand der Technik bei einem Folgestoppversuch. Bei diesem Folgestoppversuch werden 10 aufeinanderfolgende Vollbremsungen aus 100 km/h zum Stillstand mit dazwischenliegenden Beschleunigungsphasen durchgeführt. Die Abbildung und die Erklärung hierzu ist dem oben angeführten Bremsenhandbuch entnommen, Seite 44, dort mit der Unterschrift „Abb. 3.23 Temperaturverlauf in der Reibringoberfläche der Bremsscheibe bei einem Folgestoppversuch“.
Bedauerlicherweise hat sich an dieser Stelle im Lehrbuch der Fehlerteufel eingeschlichen, der eine offenkundig unrichtige Beschriftung der Temperaturskala im linken Diagramm bewirkt hat. In Ermangelung einer besseren Quelle wurde das Diagramm trotz dieses Fehlers übernommen. Die fehlerhafte Originalskalierung wurde deshalb in erkennbarer Form durchgestrichen, und eine plausible, zum Text und dem rechten Diagramm passende vermutete Skalierung eingetragen.
Trotz dieses Fehlers verdeutlicht diese Abbildung das Geschehen beim Folgestoppversuch hervorragend. Sie zeigt, dass der Wärmeeintrag in die Bremsscheiben im wesentlichen durch die Beschleunigung des Fahrzeugs, also die Motorleistung begrenzt wird. Je stärker ein Fahrzeug motorisiert ist, desto schneller wird die Geschwindigkeit von 100 km/h jeweils erreicht, desto kürzer fallen die Zyklen aus, desto mehr Wärme wird an den Bremsen pro Zeiteinheit freigesetzt. Da die Motorleistung der Fahrzeuge von Produktionsjahr zu Produktionsjahr zunimmt, müssen die Bremsen Immer stärker gekühlt werden. Deshalb ist beispielsweise eine systematische Verdrängung der Trommelbremsen durch Scheibenbremsen zu verzeichnen. Zunächst betraf das beginnend in den 1950er Jahren die Vorderachse, aber mittlerweile sind auch an der Hinterachse kaum noch Trommelbremsen anzutreffen.
Figur 2 zeigt eine Fahrzeugsteuerung 100 mit einem Eingang 10 für Sensordaten, einem nichtflüchtigen Speicher 20, einen Ausgang 30 für die Ausgabe von Stellbefehlen für die Drosselklappe und die Bremsen, einen Arbeitsspeicher 40 für die Speicherung der Zustandsgrößen eines modellgestützten Beobachters 170, einen Programmspeicher 50 für die Speicherung eines Programms 60, das Programmcodemittel zur Realisierung des modellgestützten Beobachters 170 aufweist, und einem Prozessor 70 zur Verarbeitung des im Programmspeicher abgelegten Programms 60. Die Funktion dieser Programmcodemittel wird durch die folgende Erklärungen und die Erklärungen zur Figur 3 genauer erläutert. Eingang 10 und Ausgang 30 sind hier als getrennte Funktionsgruppen dargestellt. Tatsächlich können beide Funktionen in einem einzigen Bauteil integriert sein. Dies gilt insbesondere für eine bevorzugte Ausführung, in der Fahrzeugsteuerung, Sensoren und Aktoren über einen Datenbus, beispielsweise über einen CAN-Bus verbunden sind.
Vom modellgestützten Beobachter 170 sind hier drei Funktionsblöcke beispielhaft dargestellt. Dabei sind der modellgestützte Beobachter 170 einerseits und Speicher, Programm und Prozessor andererseits zum Zweck der vereinfachten Darstellung als getrennte Funktionsblöcke gezeigt. Tatsächlich wird der Beobachter jedoch wie aus dem Stand der Technik bekannt mit Hilfe von Speicher, Programm und Prozessor gebildet. Der modellgestützte Beobachter 170 beinhaltet einen Schätzer der kinetischen Fahrzeugenergie 80, einen Schätzer der Energieaufteilung 110 und einen Schätzer der thermischen Energie der Bremsen 90.
Der Schätzer der kinetischen Fahrzeugenergie 80 ist dazu ausgebildet, aus der Fahrzeugmasse m und der Fahrtgeschwindigkeit v gemäß der Formel Ekin= 1/2 * m * v2 auf die kinetische Fahrzeugenergie Ekin zu schliessen. Der Schätzer der Energieaufteilung 110 ist dazu ausgebildet, aus der Fahrzeuggeschwindigkeit, einem Lenkradeinschlag und ggf. aus einem Gefälle auf die Aufteilung der kinetischen Fahrzeugenergie Ekin auf die vier Bremsen zu schliessen, die sich im Falle einer Vollbremsung ergäbe. Der Ausgang dieses Schätzers ist als Vektor mit vier getrennten Werten ausgebildet, die jeweils einer Bremse zugeordnet sind. Um diese Vektornatur des ausgehenden Signals anzuzeigen wird das ausgehende Signal wie üblich mit der Ziffer 4 beschriftet, die für die Dimension des Vektors steht.
Ein Schätzer der thermischen Energie der Bremsen 90 ist dazu ausgebildet, aus dem Verlauf verschiedener Sensordaten auf die thermische Energie der Bremsen zu schliessen. Auch sein Ausgang bildet einen Vektor mit vier getrennten Werten, wobei der Addierer 120 dazu ausgebildet ist, die Signale vom Schätzer der Energieaufteilung 110 und vom Schätzer der thermischen Energie 90 zu addieren. Der resultierende Summenvektor wird dem Differenzbildner 140 zugeführt und dort von den hinterlegten Schwellwerten 130 abgezogen, die die in den Bremsen zulässige gesamte thermische Energie verkörpern. Das Ergebnis dieser Differenzbildung gibt an, wieviel thermische Reserven bestehen, also wieviel zusätzliche mechanische Energie in das Fahrzeug eingebracht werden darf, bevor es an den einzelnen Bremsen zu thermischen Problemen kommen kann. Der Minimierer 150 identifiziert das schwächste Glied in der Kette und gibt dessen Reserve an einen Begrenzer 160 weiter. Der Begrenzer 160 ist mit dem Eingang 10 für Sensordaten verbunden, über den Daten empfangbar sind, die die Stellung eines Gaspedals repräsentieren. Er ist zudem mit dem Ausgang 30 für die Ausgabe von Stellbefehlen verbunden, um Stellbefehle an einen Aktor zu senden, der die Stellung der Drosselklappe kontrolliert. Der Begrenzer 160 ist
dazu eingerichtet, bei einer großen thermischen Reserve, also im Normalfall, die Stellung der Drosselklappe ohne Einschränkungen abhängig von der Stellung des Gaspedals zu steuern. Der Begrenzer 160 ist dazu eingerichtet, bei einer kleinen thermischen Reserve die Öffnung der Drosselklappe zu beschränken und somit die Fahrzeuggeschwindigkeit zu begrenzen. Dabei versteht es sich von selbst, dass im Begrenzer 160 geeignete Regelungsmittel vorgesehen sind, damit im Falle der Begrenzung, also bei durchgetretenem Gaspedal und kleiner thermischen Reserve, ein kontinuierlicher Geschwindigkeitsverlauf erzielt wird. Die hierfür notwendigen Daten beispielsweise zur Fahrtgeschwindigkeit sind für den Begrenzer 160 über den Eingang 10 verfügbar. Der hier dargestellte Fall einer elektronischen Steuerung mit einer sensorischen Erfassung des Stellung des Gaspedals und der aktorischen Betätigung der Drosselklappe wurde aus Gründen der vereinfachten Darstellung gewählt. Das bis dahin gesagte lässt sich auch auf den Fall einer mechanischen oder hydraulischen Übertragung vom Gaspedal zur Drosselklappe übertragen. Dem Fachmann sind Lösungen für mechanisch oder hydraulisch arbeitende Begrenzer bekannt.
Figur 3 zeigt ein Fahrzeug 200 mit der in Figur 2 gezeigten Fahrzeugsteuerung 100, mit Rädern 290, Drehgebern 210, Bremsen 220, Gaspedal 230, Bremspedal 240 und Multimediaeinheit 250 sowie einem Aktor 260 für die Ansteuerung der Drosselklappe. Die Bremsen werden durch weitgehend geschlossene Räder von der Umgebungsluft abgekapselt.
Die im Programms 60 der Fahrzeugsteuerung 100 enthalten Programmcodemittel, die den Beobachter 170 realisieren, sind dazu vorgesehen, wie folgt aus Sensordaten auf Fahrzeugzustände bzw. Zustandsgrößen zu schliessen:
Aus den mit den Drehgebern 210 gemessenen Drehraten der Räder und mit den Messwerten von nicht gezeigten Sensoren für den Reifendruck wird auf die Fahrzeuggeschwindigkeit geschlossen. Während eines Beschleunigungsvorgangs in der Ebene bei verhältnismässig niedriger Geschwindigkeit wird aus der Gaspedalstellung auf die abgegebene mechanische Leistung geschlossen, und diese in Beziehung gesetzt zur Änderungsrate der Fahrzeuggeschwindigkeit, wodurch auf die Gesamtmasse des Fahrzeugs geschlossen werden kann. Während eines Beschleunigungsvorgangs in der Ebene bei verhältnismässig hoher Geschwindigkeit wird aus der Gaspedalstellung und der Änderungsrate der Fahrzeuggeschwindigkeit und der Gesamtmasse auf den Luftwiderstand geschlossen. Sinngemässe Abhängigkeiten werden auch bei einer Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit ausgewertet. Aus der Fahrzeuggeschwindigkeit und dem Luftwiderstand wird auf Anteile von Gegenwind bzw. Rückenwind geschlossen, und damit auch auf die Kühlwirkung des Fahrtwindes auf die Bremsen.
Während eines Bremsvorgangs wird aus der Änderung der Fahrzeuggeschwindigkeit und der Gesamtmasse des Fahrzeugs auf die Wärme geschlossen, die an den Bremsen freigesetzt wird, und aus der bekannten Wärmekapazität der Bremsen auf deren Temperaturerhöhung. Dabei wird, wie in der Erklärung zur Figur 2 beschrieben, die Temperatur der einzelnen Bremsen getrennt modelliert, und insbesondere zwischen den Bremsen der Vorderachse und denen der Hinterachse unterschieden.
Die bis hierhin erfolgte Darstellung abgegrenzter Spezialfälle dient allein der besseren Nachvollziehbarkeit. Insbesondere soll diese Darstellung zeigen, dass die Zustandsgrößen der Fahrzeugmasse und des Luftwiderstandes voneinander zu trennen sind. Ohne hier einen formalen Beweis für die Beobachtbarkeit der interessierenden Zustandsgrößen zu führen, soll so veranschaulicht werden, dass das technische Problem häufig gelöst werden kann, ohne dass ein einziger zusätzlicher Sensor nötig würde. Dem Fachmann ist klar, dass man natürlich einen zusätzlichen oder wenige zusätzliche Sensoren vorsehen kann, um qualitative Verbesserungen zu erreichen. Dass ändert aber am Gedanken der Erfindung nichts. Tatsächlich ist der Beobachter 170 dazu bestimmt, auch ausserhalb der genannten abgegrenzten Spezialfälle in jedem vorkommenden Betriebszustand die benötigten Fahrzeugzustände bzw. Zustandsgrößen zu ermitteln. Der Beobachter 170 kann neben Fahrzeugzuständen auch einen Zustand des Fahrers modellieren, wie beispielsweise dessen Konzentration bzw. dessen Müdigkeit. Der Begrenzer 160 kann auch dazu dienen, die Fahrzeuggeschwindigkeit im Falle einer Übermüdung zu begrenzen, die beispielsweise aus der Häufigkeitsverteilung von Lenkausschlägen ablesbar ist.
Sobald der Begrenzer 160 tätig wird, werden auf einem Display der Multimediaeinheit 250 und auf einem Instrument im Cockpit unterstützende Hinweise an den Fahrer gegeben. Ein Beispiel für solche Hinweise liefert Figur 5.
Figur 4 zeigt schematisch den Temperaturverlauf an einer Oberfläche einer Reibungsbremse bei einem erfindungsgemäßen Fahrzeug bei einem Folgestoppversuch unter den gleichen Bedingungen, wie sie Figur 1 zu Grunde liegen. Es werden gleiche Motorisierung und gleiche Fahrzeugmasse angenommen, weshalb zu Beginn, bei noch kalten Bremsen, wie in Figur 1 eine Beschleunigung von 0 Km/h auf 100 Km/h in ca. 22 Sekunden Dauer verzeichnet wird. Die Bremsen sollen gleich wirksam sein, also in Bremsweg und Bremsdauer mit dem Beispiel aus Figur 1 übereinstimmen, also das Fahrzeug ebenfalls innerhalb von 2 Sekunden jeweils von 100 Km/h auf 0 Km/h verzögern. Die Wärmekapazität der jeweiligen Bremsen wird nur zur besseren Übersicht als gleich angenommen, so dass die einzelne Vollbremsung in beiden Fällen zur gleichen Temperaturerhöhung um ca. 140° führt. Auch wenn der zeitliche Takt zunächst bei beiden Versuchen übereinstimmt, unterscheiden sich die Temperaturverläufe nach der ersten Vollbremsung wesentlich. Während in Figur 1 nach jeder Erhitzung durch einen Bremsvorgang sofort ein merklicher Kühleffekt erkennbar wird, ist dieser Kühleffekt in Figur 4 sehr viel schwächer ausgeprägt. Das heisst, die von den ersten 3 Vollbremsungen bewirkten Temperaturerhöhungen von jeweils 140° addieren sich kaum abgeschwächt auf, so dass die Temperatur gegenüber der Ausgangstemperatur von ca. 70°C um ca. 3* 140° auf 490°C erhöht ist. Wie im Bremsenhandbuch dargestellt, wird eine Beharrungstemperatur unterhalb 700 °C angestrebt. Rechnerisch müsste die Drosselungsfunktion zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt greifen, da auch nach einer vierten unmittelbar anschliessenden Vollbremsung noch eine erhebliche Reserve zur angenommenen Grenztemperatur 700° bestünde. Doch in diesem Ausführungsbeispiel greift die Drosselungsfunktion bereits nach der dritten Vollbremsung, und verhindert zunächst eine Beschleunigung über das Niveau von 60 Km/h hinaus. Dadurch macht sich die Drosselungsfunktion bemerkbar, und stellt den Fahrer bei einer vergleichsweise ungefährlichen Geschwindigkeit vor die Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Bremsungen und Drosselung nachzuvollziehen. Unterstützend wirken soll dabei die in Figur 5 gezeigte Anzeigevorrichtung. Nach nach 2,5 Minuten lässt die Drosselungsfunktion eine graduelle Beschleunigung bis auf eine Geschwindigkeit von 100 Km/h zu. Diese 4. Beschleunigung wird zugelassen, bevor die Temperatur auf das Niveau vor der 3. Vollbremsung abgeklungen ist. Das bedeutet, nach einer 4. Vollbremsung sind die thermischen Reserven soweit aufgebraucht, dass eine erneute Beschleunigung auf 100 Km/h für einen längeren Zeitraum nicht zugelassen wird. Hintergrund der hier gezeigten Auslegung ist die Annahme, dass das erfindungsgemäße Fahrzeug für eine nominelle Höchstgeschwindigkeit von 180 Km/h ausgelegt ist, und mit Gefälle, Rückenwind etc. mit einer tatsächlichen Höchstgeschwindigkeit von 200 Km/h gerechnet wird. Die Bremsen müssten bei einer einzigen Vollbremsung aus 200 Km/h die vierfache Energie aufnehmen wie in einem Zyklus des hier skizzierten Folgestoppversuchs. Die Bremsen sind also mit anderen Worten für eine einzige Vollbremsung aus 200 Km/h und eine daran anschliessende lange Abkühlungsphase ausgelegt. Dabei sind genug Reserven eingeplant, um unmittelbar nach einer Vollbremsung aus 200 Km/h eine Beschleunigung auf 60 Km/h zuzulassen, die es bei Bedarf dem Fahrer ermöglichen würde, eine Gefahrenzone zu verlassen. In diesem Sinne ist die Wärmekapazität der Bremsen für eine Vollbremsung aus 200 Km/h und eine unmittelbar anschliessende Vollbremsung aus 60 Km/h ausgelegt.
Während die herkömmlichen Bremsen entsprechend Figur 1 dazu ausgelegt sind, im heissen Zustand die Wärme einer Vollbremsung aus 100 Km/h innerhalb von 24 Sekunden abzugeben, kann eine erfindungsgemässe Bremse beispielsweise dazu ausgelegt sein, diese Wärme im heissen Zustand innerhalb von 4 Minuten oder 40 Minuten abzugeben. Das bedeutet, die Kühlung kann um einen Faktor 10 oder 100 schwächer sein als bei der herkömmlichen Bremse, und die Kapselung gegen widrige Umweltbedingungen kann entsprechend wirksamer sein.
Die hier angegebenen Bemessungen sind nur zur besseren Vergleichbarkeit mit Figur 1 gewählt. Tatsächlich ist es günstig, die reduzierte Kühlung mit einer Erhöhung der Wärmekapazität zu kombinieren, so dass mindestens 2 Vollbremsungen aus einer Höchstgeschwindigkeit aufgefangen werden können. Denn auch einem Fahrer mit Kraftstoff sparender Fahrweise kann es durch ungünstige Umstände passieren, dass er häufiger in Folge stark bremsen muss. Eine Erhöhung der Wärmekapazität senkt die Wahrscheinlichkeit, dass durch eine Verkettung ungünstiger Umstände trotz Kraftstoff sparender Fahrweise doch eine Drosselung einsetzt.
Figur 5 zeigt ein Instrument zur Anzeige der Fahrzeuggeschwindigkeit und eines ggf. gesperrten Geschwindigkeitsbereichs. Dabei wird beispielhaft eine Fahrzeuggeschwindigkeit von 60 Km/h und ein momentan möglicher Geschwindigkeitsbereich von 0-105 Km/h dargestellt.
Figur 5a zeigt einen ersten Zustand des Instruments, in dem der gesperrte Bereich durch eine Invertierung markiert wird. Figur 5a zeigt einen zweiten Zustand des Instruments, in dem der gesperrte Bereich ausgeblendet ist, und an Stelle des ausgeblendeten Bereichs ein Icon dargestellt wird, das die Ursache der Sperrung veranschaulicht. An dieser Stelle könnte auch ein Zahlenwert für die Bremsentemperatur angezeigt werden. Es ist vorgesehen, dass das Instrument im Falle der Drosselung regelmäßig zwischen verschiedenen Anzeigezuständen wechselt. Das Instrument kann beispielsweise mit einem grafikfähigen Display realisiert werden, das einen großen Variantenreichtum der Darstellung zulässt.
Patentansprüche
- Kraftfahrzeug mit Drehgeber 210, Bremse 220, Gaspedal 230, Bremspedal 240 und mit einem Fahrzeugsteuerung 100, die einen Eingang 10 für Sensordaten, einen nichtflüchtigen Speicher 20, einen Ausgang 30 für die Ausgabe von Stellbefehlen, einen Arbeitsspeicher 40, einen Programmspeicher 50 und einen Prozessor 70 aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass in der Fahrzeugsteuerung 100 ein Begrenzer 160 realisiert ist, der dazu eingerichtet ist, einem Fading der Bremse 220 durch eine von der Temperatur der Bremse 220 abhängige Drosselung der Fahrzeuggeschwindigkeit entgegen zu wirken.
- Kraftfahrzeug nach Anspruch 1 mit einem Anzeigeinstrument für die Momentangeschwindigkeit dadurch gekennzeichnet, dass im Anzeigeinstrument die von der Temperatur der Bremse 220 abhängige Drosselung der Fahrzeuggeschwindigkeit kenntlich gemacht wird.
- Kraftfahrzeug nach Anspruch 1 oder 2 mit einem Anzeigeinstrument für die Momentangeschwindigkeit dadurch gekennzeichnet, dass im Anzeigeinstrument der momentan verfügbare Geschwindigkeitsbereich kenntlich gemacht wird.
- Kraftfahrzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 3 dadurch gekennzeichnet, dass in der Fahrzeugsteuerung 100 Programmcodemittel zur Berechnung von Schätzwerten für die Temperatur und / oder Wärme der Bremse 220 vorgesehen sind.
- Kraftfahrzeug nach Anspruch 4 dadurch gekennzeichnet, dass in der Fahrzeugsteuerung 100 Programmcodemittel für einen modellgestützten Beobachter zur Berechnung von Schätzwerten für die Temperatur von mindestens einer der Bremsen 220 vorgesehen sind.
- Fahrzeugsteuerung 100 für ein Kraftfahrzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass in der Fahrzeugsteuerung 100 ein Begrenzer 160 realisiert ist, der dazu eingerichtet ist, einem Fading der Bremse 220 durch eine von der Temperatur der Bremse 220 abhängige Drosselung der Fahrzeuggeschwindigkeit entgegen zu wirken.“
Die Vorschaubilder zu Figur 1 und Figur 5 zeigen jeweils nur einen Ausschnitt. Bitte draufklicken, um jeweils die komplette Figur zu sehen.